Tarifverhandlungen auch bei Leiharbeit:

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20.05.2013 Equal Pay, Mindestlohntarifvertrag, Tariföffnungsklausel und Nachwirkung? Die häufigsten Fragen zu den Tarifverhandlungen in der Leiharbeit werden hier beantwortet.

Die Entgeltforderungen der DGB-Mitgliedsgewerkschaften in der DGB-Tarifgemeinschaft sind den Arbeitgebern bereits in der 1. Tarifverhandlung übermittelt worden:

  • Die unterste Entgeltgruppe sollte in zwei Stufen von zuerst 8,50 Euro auf dann 9,00 Euro (West) erhöht werden. Die anderen Entgeltgruppen müssen entsprechend prozentual angepasst werden.
  • Die Entgelttabelle Ost soll sich an das Niveau West so annähern, dass am Ende der Laufzeit ein gleiches Entgelt Ost/West erreicht ist.
  • Der Entgelttarifvertrag sollte eine Laufzeit von 24 Monaten haben.
  • Der Mindestlohntarifvertrag sollte eine Laufzeit von 30 Monaten haben (wegen Vorlaufzeit zum Erlass der Rechtsverordnung von ca. 6 Monaten, deshalb ist ein frühzeitiger Abschluss notwendig).

Außerdem wurden einige Änderungen in den Mantel- und Entgeltrahmentarifverträgen gefordert (u.a. Regelungen zum Streikbrucheinsatz, zu den Ausschlussfristen, Arbeitszeitkonten und Entgeltgruppendefinitionen).

Mittlerweile gibt es auch nach 4 Verhandlungen kein ergebnis. Die nächste Verhandlungsrunde findet im Juni statt.

Worum geht es bei den Tarifverhandlungen in der Leiharbeit? Welche Tarifverträge werden neu verhandelt?

Die Mitgliedsgewerkschaften des DGB verhandeln derzeit als DGB-Tarifgemeinschaft über verschiedene Tarifverträge in der Leiharbeit mit den Arbeitgeberverbänden iGZ und BAP.

Dabei geht es zum einen um die Entgelttarifverträge, die die Löhne in den verschiedenen Entgeltgruppen für die Leiharbeitsbeschäftigten festlegen. Hier geht es in erster Linie um eine stufenweise Erhöhung der untersten Entgeltgruppen Ost und West, eine entsprechende Erhöhung der weiteren Entgeltgruppen und eine Angleichung der Entgelttabellen von Ost an West.

DGB/Simone M. Neumann

Die beiden untersten Lohngruppen für Ost und West der Entgelttarifverträge bilden die Grundlage für die Mindeststundenentgelte im Mindestlohntarifvertrag, der ebenfalls neu verhandelt wird. Diese Mindeststundenentgelte können auf Antrag der Tarifvertragsparteien nach Abschluss eines neuen Mindestlohntarifvertrags durch das Bundesarbeitsministerium (als Lohnuntergrenze in der Leiharbeit) in einer Rechtsverordnung verbindlich festgelegt werden. Dies ermöglicht § 3 a Arbeit­nehmer­überlassungsgesetz (AÜG). Erst mit Inkrafttreten der Rechtsverordnung gibt es einen verbindlichen Branchenmindestlohn in der Leiharbeit zugunsten aller Leiharbeitsbeschäftigten. Denn die Rechtsverordnung wirkt wie ein Gesetz und ist Anspruchsgrundlage für alle Beschäftigten. Derzeit liegt der Branchenmindestlohn in der Leiharbeit bei 8,19 (West) und 7,50 (Ost).

Zum anderen geht es in den laufenden Verhandlungen aber auch um die Verbesserung der Regelungen in den Manteltarifverträgen und Entgeltrahmentarifverträgen, wie z.B. die Frage des Streikbrucheinsatzes von Leiharbeitsbeschäftigten, die Regelung der Ausschlussfristen (das sind die Fristen, innerhalb derer die Ansprüche aus den Tarifverträgen geltend gemacht werden müssen) und der Arbeitszeitkonten, die Entgeltgruppenbeschreibungen und die Frage des Geltungsbereichs für Werkverträge.

Wer führt die Verhandlungen auf Arbeitnehmerseite, wer führt sie auf der Arbeitgeberseite?

Die Tarifverhandlungen führen auf Seiten der Gewerkschaften die Mitgliedsgewerkschaften des DGB unter dem Dach der DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit. Zusätzlich wurden bei den DGB-Mitgliedsgewerkschaften Tarifkommissionen gebildet, die auch aus Leiharbeitsbeschäftigten bestehen. Diese beraten und bewerten die Verhandlungspositionen und haben am Ende auch für die jeweilige DGB-Gewerkschaft über ein mögliches Ergebnis zu befinden.

Auf Seiten der Arbeitgeber führen Vertreter/-innen der zwei Arbeitgeberverbände in der Leiharbeit BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister) und iGZ (Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen) die Verhandlungen.

Wie lange ist die Laufzeit der bestehenden Tarifverträge? Müssen die Tarifverträge gekündigt werden oder laufen sie automatisch aus?

Das hängt davon ab, um welche Tarifverträge es geht.

Alle Tarifverträge in der Leiharbeit - mit Ausnahme des Mindestlohntarifvertrags - sind so lange gültig, wie sie nicht gekündigt werden. Sie sind mit einer Frist von 6 Monaten erstmals zum 31. Oktober 2013 kündbar. Werden sie gekündigt, stellen sich Fragen zur sogenannten Nachwirkung, die unter Jurist/-innen nicht einheitlich beantwortet werden (dazu siehe unten).

Beim Mindestlohntarifvertrag ist dies anders: dieser Tarifvertrag trat zum 1.7.2010 in Kraft und endet am 31.10.2013 ohne jegliche Nachwirkung. Gleiches gilt auch für die Rechtsverordnung über die verbindliche Lohnuntergrenze, die ebenfalls nicht nachwirkt. Erst die Rechtsverordnung erfasst alle Leiharbeitsbeschäftigte und Leiharbeitsunternehmen, insbesondere auch ausländische Verleihunternehmen.

Die DGB-Mitgliedsgewerkschaften in der DGB-Tarifgemeinschaft haben derzeit die bestehenden Entgelttarifverträge mit iGZ und BAP gekündigt. Je nachdem, wie sich die Arbeitgeberseite zu den Themen neben Entgelt verhält, könnten auch weitere Tarifverträge gekündigt werden.

Wie hängen die verschiedenen Tarifverträge miteinander zusammen?

Die Entgelthöhen für Ost und West sind im Entgelttarifvertrag geregelt, die für den Entgelttarifvertrag wichtigen Entgeltgruppen sind im Entgeltrahmentarifvertrag geregelt und die untersten Mindestentgelte für Ost und West finden sich im Mindestlohntarifvertrag.

Beim Bundesarbeitsministerium kann der Erlass der Rechtsverordnung für die Lohnuntergrenze in der Leiharbeit erst beantragt werden, wenn zuvor der Entgelttarifvertrag und der Mindestlohntarifvertrag in der Leiharbeit neu vereinbart worden sind. Die unterste Lohngruppe im Entgelttarifvertrag bildet die Grundlage für den Mindestlohntarifvertrag und dieser bildet die Grundlage für die Lohnuntergrenze in der Rechtsverordnung, die dann durch das Bundesarbeitsministerium erlassen wird. Dabei ist jeweils die unterste Lohngruppe für Ost und West im Mindestlohntarifvertrag und im Entgelttarifvertrag identisch.

Ohne einen neuen Entgelttarifvertrag kann also kein Mindestlohntarifvertrag in der Leiharbeit geschlossen werden und damit fehlt die Grundlage für eine verbindliche Lohnuntergrenze. Es gäbe dann keinen für alle verbindlichen Branchenmindestlohn in der Leiharbeit und damit keinen Mindestentgeltschutz in der verleihfreien Zeit. Der Grundsatz des Equal Pay im AÜG regelt nämlich nur das Entgelt während der Verleihzeit.

Zugleich bilden die Entgelttarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft die Grundlage für die sog. Branchenzuschläge in der Leiharbeit, die zuletzt durch einige der DGB-Mitgliedsgewerkschaften (IG BCE, IG Metall, EVG und ver.di) für bestimmte Branchen tariflich vereinbart worden sind und vorsehen, dass ab einer bestimmten Überlassungsdauer auf die Entgelte der jeweiligen Entgeltgruppen in den Tarifverträgen prozentuale Aufschläge zu zahlen sind.

Was würde es bedeuten, wenn der Mindestlohntarifvertrag im Oktober 2013 endet, ohne dass es eine Folgevereinbarung gibt? Welche Auswirkungen hätte das auf entsandte Leiharbeitsbeschäftigte?

Läuft der bestehende Mindestlohn-Tarifvertrag Ende Oktober 2013 aus und wird kein neuer abgeschlossen, gibt es keinen verbindlichen Branchenmindestlohn für die verleihfreie Zeit zugunsten aller Leiharbeitnehmer/-innen mehr. Der Equal Pay-Grundsatz im AÜG regelt nämlich nicht das Entgelt in der verleihfreien Zeit.

Der Mindestlohn-Tarifvertrag ist zudem für entsandte Beschäftigte in der Leiharbeit enorm wichtig, für die ansonsten keine gesetzliche Lohnuntergrenze bestehen würde. Denn für Leiharbeitsbeschäftigte, die von ausländischen Verleihfirmen in Betriebe nach Deutschland verliehen werden, würde der Tarifvertrag des Herkunftslandes gelten und damit keinesfalls Equal Pay. Da die Arbeitsbedingungen entsandter Beschäftigter vielfach in erheblichem Maße von den Arbeitsbedingungen inländischer Beschäftigter nach unten abweichen, hätten wir ohne einen Mindestlohn-Tarifvertrag den Tatbestand einer gravierenden Lohnunterbietungskonkurrenz. Damit könnten sogar die deutschen Tarifsätze in der Leiharbeit unterboten werden.

Mit welchen Forderungen gehen die DGB-Gewerkschaften in die Verhandlungen mit den Arbeitgeberverbänden in der Leiharbeit?

Hier muss unterschieden werden zwischen den Entgeltforderungen und den Forderungen in Bezug auf die Mantel- und Entgeltrahmentarifverträge.

In Bezug auf die Entgelttarifverträge fordern die DGB-Mitgliedsgewerkschaften in der DGB-Tarifgemeinschaft, dass sich die unterste Entgeltgruppe in der nächsten Stufe auf 8,50 Euro und dann auf 9,00 Euro (West) erhöht. Die anderen Entgeltgruppen müssen entsprechend angepasst werden. Die Entgeltabstände zwischen Ost und West sollen durch einen Stufenplan aufgehoben werden.

In Bezug auf die Mantel- und Entgeltrahmentarifverträge fordern die DGB-Mitgliedsgewerkschaften in der DGB-Tarifgemeinschaft, dass zukünftig jeglicher Einsatz von Leiharbeitnehmer/-innen in bestreikten Betrieben unzulässig ist, auch wenn die Leiharbeitnehmer/-innen zum Zeitpunkt des Streiks bereits im Betrieb tätig sind. Die bisherige Praxis hat immer wieder zu Streikbrechereinsatz durch Leiharbeitsfirmen geführt. Weitere Forderungen beziehen sich auf eine Verlängerung der momentan sehr kurzen Ausschlussfristen. Auch missbrauchsanfällige Regelungen zu den Arbeitzeitkonten und Entgeltgruppenbeschreibungen stehen zur Diskussion, ebenso wie Regelungen zum Geltungsbereich für Werkverträge.

Es gibt Forderungen die Tarifverträge in der Leiharbeit auslaufen zu lassen. Das Argument: Ohne Tarifvertrag würde beim Lohn automatisch die gesetzliche Regelung gelten - und die stellt Leiharbeitsbeschäftigte mit der Stammbelegschaft gleich (Equal Pay) ...

Der Verzicht auf Entgelttarifverträge in der Leiharbeit führt nicht automatisch zu Equal Pay, denn grundsätzlich wirken Tarifverträge auch nach Ende der Laufzeit nach und sind bis zu einem neuen Tarifabschluss, der sie ersetzt, anwendbar. Die Nachwirkung eines Tarifvertrages im Bereich der Leiharbeit allerdings ist unter Jurist/-innen umstritten und müsste von den Betroffenen jeweils individuell vor den Arbeitsgerichten geklärt werden. Gerichtsverfahren dauern aber sehr lange. Für die Beschäftigten wäre bis zu einer gerichtlichen Klärung unklar, welche Ansprüche sie genau haben. Es bestünde enorme Rechtsunsicherheit.

Eine separate Neuverhandlung des Mindestlohntarifvertrags ohne gleichzeitige Neuverhandlung des Entgelttarifvertrags würde bedeuten, dass der neue Mindestlohntarifvertrag höhere Löhne vorsieht als die untersten Entgeltgruppen der alten Entgelttarifverträge.

Aus den oben genannten Gründen ist es also notwendig, den Mindestlohntarifvertrag in der Leiharbeit zu erneuern und auf seiner Grundlage den erneuten Erlass einer Rechtsverordnung für die Lohnuntergrenze in der Leiharbeit zu beantragen. Dafür ist aber der Abschluss eines neuen Entgelttarifvertrags in der Leiharbeit erforderlich. Damit entsteht ein für alle verbindlicher neuer Branchenmindestlohn in der Leiharbeit.

Die Alternative wäre, sich von der Mindestlohnregelung in der Arbeitnehmerüberlassung zu verabschieden, ohne dass sichergestellt ist, dass die Betroffenen tatsächlich Equal Pay erhalten. Denn der Equal Pay-Anspruch ist im Gesetz nicht weiter ausgestaltet. Alle Leiharbeitsbeschäftigten müssten für jeden Einsatz gesondert ihre Ansprüche ermitteln, geltend machen und die Lohndifferenzen ggf. vor den Arbeitsgerichten einklagen. Das kann Jahre dauern und der Ausgang der Verfahren wäre ungewiss. Zudem findet der Equal Pay-Grundsatz im AÜG in verleihfreien Zeiten keine Anwendung. Den Arbeitgebern würden sich in dieser Situation größere Missbrauchsmöglichkeiten bieten als das mit Tarifverträgen der Fall ist.

Die Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist nicht tariffähig, die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) hat erklärt, keine Tarifverhandlungen in der Leiharbeit zu führen. Kann damit grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass gelbe Gewerkschaften Dumping-Tarifverträge in der Leiharbeit abschließen, mit denen die Equal-Pay-Regelung umgangen werden?

Nach bislang im Einzelnen nicht belegten Informationen von BAP wurden die Tarifverträge, die von den sog. christlichen Gewerkschaften (CGM, DHV, ALeB, BiGD und medsonet) im Jahr 2010 parallel zur CGZP abgeschlossen wurden, im März 2013 einvernehmlich und unter Aufhebung der Nachwirkung ausgesetzt. Wie dies in der Folge nun rechtlich zu bewerten ist, ist noch unklar. Es bleibt jedenfalls abzuwarten, ob die Tarifverträge dennoch - wie in der Vergangenheit üblich - durch Bezugnahme im einzelnen Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelangen und daher in bestehenden Arbeitsverhältnissen eine wichtige Rolle spielen. Unabhängig davon kann ernsthaft bezweifelt werden, ob diese sog. christlichen Gewerkschaften überhaupt tariffähig und ihre Tarifverträge wirksam sind.Außer im Fall von BiGD ist dies bisher (noch) nicht durch die Gerichte festgestellt worden.

Selbst wenn also aktuell keine sog. christlichen Gewerkschaften im Bereich der Leiharbeit auftreten und versuchen, neue Tarifverträge abzuschließen, so heißt dies nicht, dass es keine sog. christlichen Gewerkschaften mehr gibt, die mit Dumpingpolitik Druck auf die Standards der Tarifverträge der Gewerkschaften in der DGB-Tarifgemeinschaft ausüben könnten. So können die sog. christlichen Gewerkschaften z.B. ihren Organisationsbereich in ihren Satzungen ausweiten und ihre Zuständigkeit für die Leiharbeit explizit festlegen, wie es in einem Fall bereits erfolgt ist. Weitere neue Gewerkschaften mit dem Ziel einer Dumpingpolitik könnten gegründet werden - es müssen sich nur Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände finden, die mit ihnen Tarifverträge abschließen. Die BAP jedenfalls hat in ihrer Satzung geregelt, dass Tarifverträge mit "C-Gewerkschaften" (christliche Gewerkschaften) neben denen mit den "D-Gewerkschaften" (DGB-Gewerkschaften) abgeschlossen werden können.

Eine Aufkündigung der Tarifzusammenarbeit in der Leiharbeit durch die DGB-Mitgliedsgewerkschaften würde für die Arbeitgeber die Option einer Zusammenarbeit mit den sog. christlichen Gewerkschaften wieder aufleben lassen.

Wie ist der Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) konkret ausgestaltet - gibt es nicht eine eindeutige Equal-Pay-Regelung im Gesetz?

Es gibt leider keinen uneingeschränkten Equal Pay-Grundsatz im Gesetz. Das AÜG ermöglicht es vielmehr den Tarifpartnern, vom Grundsatz des Equal Pay mit Tarifverträgen abzuweichen (sog. Tariföffnungsklausel). Dies sieht auch die europäische Leiharbeitsrichtlinie vor. Davon haben in der Vergangenheit die sog. christlichen Gewerkschaften umfassend Gebrauch gemacht, um sehr niedrige Tarifstandards in der Leiharbeit zu etablieren. Die DGB-Mitgliedsgewerkschaften haben sich damals entschieden, mit eigenen Tarifverträgen ein im Vergleich dazu besseres Tarifniveau zu vereinbaren, auch um sog. christlichen Gewerkschaften nicht das Regelungsfeld zu überlassen.

Daneben erlaubt das AÜG - anders als die europäische Leiharbeitsrichtlinie -, durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag im Arbeitsvertrag vom Equal Pay-Grundsatz abzuweichen. Dies wird von den Arbeitgebern häufig dazu genutzt, um weiterhin flächendeckend Tarifverträge anzuwenden, die vom Gleichbehandlungsgrundsatz abweichen. Allerdings gibt es gewichtige Stimmen, wonach die Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht den Vorgaben der Leiharbeitsrichtlinie entspricht und diese daher noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt ist. Die Politik hat hierzu aber noch keine Änderungen vorgenommen, obwohl die Gewerkschaften dies fordern.

Für einen uneingeschränkten gesetzlichen Equal Pay-Grundsatz fordert der DGB daher eine Abschaffung der Tariföffnungsklausel und Bezugnahmeklausel im AÜG. Damit könnten in Zukunft sog. christliche Gewerkschaften nicht mehr mit Dumpingverträgen Druck ausüben. Auch könnten die Arbeitgeber die Bezugnahmeklausel nicht mehr dazu nutzen, um die flächendeckende Verbreitung von niedrigen Tarifentgelten zu befördern.

Einige der DGB-Gewerkschaften haben selbst eine Annäherung der Löhne der Leiharbeitsbeschäftigten an Equal Pay tariflich festgelegt: nach einer bestimmten Überlassungsdauer von Leiharbeitsbeschäftigten in einem Entleihbetrieb werden Branchenzuschläge fällig, die auf die Entgelte der Tarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft zu zahlen sind. Dies bedeutet für die Betroffenen erhebliche Gehaltsverbesserungen und bewirkt eine beachtliche Annäherung ihrer Löhne an die Löhne der Stammbelegschaft. Zusammen mit den Tarifverträgen der DGB-Mitgliedsgewerkschaften in der Leiharbeit bieten die Tarifverträge über die Branchenzuschläge eine klare und transparente Grundlage für die Lohnberechnung der Betroffenen. Eine flächendeckende Regulierung der Leiharbeit über die Branchenzuschläge wird jedoch kaum möglich sein. Zum einen sind nicht alle Branchen davon erfasst, zum anderen müssten neben den Leiharbeitsverbänden auch die Arbeitgeberverbände der Entleiher auf Branchenebene jeweils die Zuschläge wirtschaftlich akzeptieren, damit sie Wirkung entfalten können. Dies ist jedoch keineswegs der Fall.

Wie ist es zur Festschreibung der Tariföffnungsklausel und Bezugnahmeklausel im AÜG gekommen?

Als die gesetzlichen Regelungen der Leiharbeit im Zuge der Hartz-Reformen flexibilisiert werden sollten, haben die DGB-Gewerkschaften durchgesetzt, dass im AÜG der Gleichbehandlungsgrundsatz in der Leiharbeit festgelegt wird. Dies war aber nur um den Preis möglich, dass sich die Gewerkschaften bereit erklärten, Tarifverträge in der Leiharbeit abzuschließen, um den Gleichbehandlungsgrundsatz in der Umsetzung praktikabel zu machen. Damit war die Tariföffnungsklausel geboren. Für die Leiharbeitsbeschäftigten hatte dies den Vorteil, dass in der Leiharbeit erstmals Flächentarifverträge abgeschlossen werden konnten und vor allem auch Regelungen für die verleihfreie Zeit vereinbart wurden.

Allerdings wurde im Vermittlungsausschuss des Bundestages zugleich vereinbart, dass vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag im Arbeitsvertrag abgewichen werden kann (Bezugnahmeklausel). Dadurch haben es die Arbeitgeber seitdem in der Hand, flächendeckend vom Gleichbehandlungsgrundsatz abzuweichen. In der Folge haben sog. christliche Gewerkschaften auf dieser Grundlage Dumping-Tarifverträge mit den Arbeitgeberverbänden abgeschlossen, in denen sehr niedrigere Entgelte vereinbart wurden. Die parallel von den Mitgliedsgewerkschaften in der DGB-Tarifgemeinschaft ebenfalls ausgehandelten Tarifverträge mit den Arbeitgeberverbänden in der Leiharbeit mit höheren Entgeltstandards mussten auf Druck der Arbeitgeber verschlechtert werden, damit überhaupt ein Abschluss erzielt werden konnte. Die Lohndumpingstrategie der sog. christlichen Gewerkschaften ist damals voll aufgegangen.

Warum fordert der DGB den uneingeschränkten Equal Pay Grundsatz im Gesetz, obwohl er selbst Tarifverträge abschließt, die Equal Pay unterschreiten?

Unser Ziel ist und bleibt die Gleichbehandlung der Leiharbeitsbeschäftigten mit den Stammbeschäftigten, wenn gleiche oder vergleichbare Arbeit im Betrieb geleistet wird. Damit wollen die DGB-Gewerkschaften verhindern, dass durch Lohndumping Kostenvorteile für die Arbeitgeber entstehen und alle Beschäftigten (Leiharbeitsbeschäftigte und Stammbeschäftigte) unter Druck gesetzt werden. Leiharbeit soll nur der kurzfristigen Abdeckung von Auftragsspitzen dienen. Durch den kurzfristigen und flexiblen Personaleinsatz haben die Arbeitgeber schon sehr viele Vorteile.

Allerdings gilt - wie beschrieben - der Equal Pay-Grundsatz durch die Tariföffnungsklausel und die Bezugnahmeklausel im AÜG nur eingeschränkt. Der Equal Pay-Grundsatz im AÜG findet auf verleihfreie Zeiten keine Anwendung. Die Branchenzuschläge bedeuten zwar für die Betroffenen erhebliche Gehaltsverbesserungen und bewirken eine beachtliche Annäherung ihrer Löhne an die Löhne der Stammbelegschaft. Eine flächendeckende Regulierung der Leiharbeit nur über dieses Instrument ist aber kaum möglich. Die Gefahr von Dumpingdruck durch die sog. christlichen Gewerkschaften ist nicht komplett gebannt. Daher hält der DGB weiterhin an seiner Forderung nach einem uneingeschränkten Equal Pay-Grundsatz ohne Abweichungsmöglichkeiten fest.

Letzte Änderung: 14.05.2013