Ausbildungsreport für Baden-Württemberg

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26.10.2015 DGB-Jugend stellt erstmalig Ausbildungsreport für Baden-Württemberg vor - 30 Prozent der Auszubildenden sind mit Ausbildungsqualität unzufrieden

Die duale Ausbildung gilt europaweit als vorbildlich. Doch bei allem Lob darf nicht vergessen werden, dass in manchen Branchen seit Jahren erhebliche Mängel bei der Umsetzung der Ausbildungsqualität bestehen. Der erste Ausbildungsreport, den die DGB-Jugend Baden-Württemberg erstellt hat, bestätigt dieses Bild. Sie hat hierfür mehr als 2000 Auszubildende in ganz Baden-Württemberg befragt. Die Befragung erstreckte sich auf die Ausbildungsjahre 2014 und 2015. "Erfreulich ist, dass 70 Prozent der Auszubildenden mit ihrer Ausbildung zufrieden oder sehr zufrieden sind", sagte Andre Fricke, der Bezirksjugendsekretär des DGB Baden-Württemberg. Die Zufriedenheit ist in der Industrie und in kaufmännischen Berufen besonders hoch, beispielsweise bei Jugendlichen mit dem Berufsziel Industriemechaniker_in, Mechatroniker_in, Kaufmann_frau im Groß- und Außenhandel und Bankkaufmann_frau.

Schlusslichter des Reports

Die Unterschiede zwischen den Branchen sind allerdings gewaltig. "30 Prozent der Jugendlichen sind unzufrieden mit ihrer Ausbildung. Dieser Wert ist alarmierend hoch", mahnte Fricke. Die Schlusslichter des Reports sind die Lehrberufe, die am wenigsten nachgefragt werden und die die höchsten Abbruchquoten aufweisen. Im einzelnen sind dies: Koch_Köchin, Hotelfachmann_frau, Medizinische_r Fachangestellte_r, Zahnmedizinische_r Fachangestellte_r, Maler_in und Lackierer_in sowie Fachverkäufer_in im Lebensmittelhandwerk.

"Wir appellieren an die Ausbildungsbetriebe in den jeweiligen Branchen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Ausbildungsqualität zu verbessern", forderte Fricke. "Die Betriebe dürfen sich nicht über den angeblich so hohen Fachkräftemangel beklagen, wenn sie Jugendlichen keinen guten Einstieg ins Berufsleben bieten. Auszubildende sind keine billigen Arbeitskräfte."

Häufig fehlen ein Ausbildungsplan und ein_e Ausbilder_in

Rund 30 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen kein Ausbildungsplan vorliegt. Doch auch wenn es einen solchen gibt, wird er bei rund 20 Prozent der Auszubildenden nur manchmal, selten oder nie eingehalten. "Hier sind eindeutig die Kammern aufgefordert, ihrer Kontrollpflicht nachzukommen", erklärte der Bezirksjugendsekretär.

Ein knappes Drittel der Befragten gab an, dass für sie nur manchmal, selten oder nie ein_e Ausbilder_in ansprechbar war. "Wenn die Anleitung fehlt, fehlt den Auszubildenden die Orientierung", kritisiert der Bezirksjugendsekretär. "Das ist ein Verstoß gegen das Berufsbildungsgesetz."

Überstunden sind keine Seltenheit

Ein weiteres bedenkliches Ergebnis des Reports: Knapp 43 Prozent der Befragten müssen regelmäßig Überstunden machen. Das zeigt, dass ein hoher Teil der Auszubildenden als reguläre Arbeitskräfte eingesetzt werden. "Eine Ausbildung ist aber ein Lernverhältnis", stellte Fricke klar. Fast 14 Prozent der unter 18 Jährigen arbeiten im Schnitt mehr als 40 Stunden in der Woche. Fricke: "Das ist ein klarer Verstoß gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz. Hier ist die Gewerbeaufsicht gefragt."

Gesetzesverstöße müssen geahndet werden

Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz, das Berufsbildungsgesetz oder das Arbeitszeitgesetz müssten konsequenter geahndet werden, fordert die Gewerkschaftsjugend. Ihre Einhaltung müsse von neutraler Seite kontrolliert werden. Die Kammern seien hierzu nicht geeignet, weil sie auch die Interessen der Ausbildungsbetriebe vertreten. "Selbstverständlich sind auch die Betriebsräte und die Gewerkschaften vor Ort Ansprechpartner, an die sich Auszubildende bei Problemen wenden können", betont die DGB-Jugend.

Bedeutung der Mitbestimmung

Der Ausbildungsreport zeige, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen betrieblicher Mitbestimmung und guter Ausbildungsqualität gebe. Fricke: "Dort, wo Mitbestimmung gelebt wird, sind die Ausbildungsbedingungen besser. Dort, wo sie verhindert wird, lässt auch die Qualität der Ausbildung zu wünschen übrig."
Ziel einer Ausbildung müsse die unbefristete Übernahme sein. "Nur dann investieren Betriebe wirklich in die Qualifizierung ihrer Auszubildenden", ist sich der Bezirksjugendsekretär sicher.

Auch in den Berufsschulen gibt es Verbesserungsbedarf

Auch in den Berufsschulen muss nach Ansicht der DGB-Jugend angesetzt werden. Die Unterrichtsqualität muss noch weiter verbessert werden. Die Jugendlichen kritisieren die unzureichende Ausstattung der Berufsschulen. "Das Land hat die Rahmenbedingungen bereits verbessert. Doch noch ist die Situation an den Berufsschulen nicht so, dass auf die jeweiligen Bedürfnisse der Auszubildenden und die Anforderungen moderner Berufe angemessen eingegangen werden kann."

Die Gewerkschaftsjugend plädiert dafür, einen optionalen zweiten Berufsschultag pro Woche als Standard einzuführen. Er würde vor allem förderbedürftigen Jugendlichen durch individuelle Förderungen helfen und leistungsstarken Jugendlichen den Erwerb von höheren Schulabschlüssen ermöglichen.

Fazit der DGB-Jugend

Die Ausbildungsbedingungen in Baden-Württemberg sind noch lange nicht so gut, wie von den Arbeitgebern dargestellt. Die hohen Abbrecherquoten zeigen, dass Jugendliche in den Betrieben häufig unzureichend betreut werden und teilweise erhebliche Defizite bei den Ausbildungsbedingungen bestehen. Die Korrelation von unbesetzten Lehrstellen und hohen Abbruchquoten ist kein Zufall. Bereits seit 10 Jahren nutzt die DGB-Jugend den bundesweiten Ausbildungsreport, um auf Mängel aufmerksam zu machen. Mit dem ersten Ausbildungsreport für das Land wird deutlich: Es wird Zeit, dass sich endlich auch im Land etwas verbessert!

Letzte Änderung: 26.10.2015